Francesc Abad und sein Werk. Gruppen- und Einzelausstellungen 1971 - 2008
In den Gebieten, mit denen wir es zu tun haben, gibt es Erkenntnis nur blitzhaft. Der Text ist der langnachrollende Donner Manel Clot [Manel CLOT (ed), Francesc Abad. block W.B. Institut Ramon Llull. Berlín, 2008] |
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I 1967 - 1971 Francesc Abad wird 1944 in Terrassa geboren, einer Stadt, die dank der Entwicklung ihrer Textilindustrie in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Städten Kataloniens gehörte und in jeder Hinsicht von den Auswirkungen des kapitalistischen Systems geprägt wurde. Da er schon als Vierzehnjähriger in der Industrie arbeitet, lernt er aus erster Hand die vom Fordismus geprägten Produktionsweisen kennen, auf die sich der kritische Diskurs später häufig allzu rhetorisch bezieht. Im Lauf der Zeit wird er feststellen, dass die materiellen Bedingungen, der soziale Kontext, die Orte der Erfahrung, die Schichten der Erinnerung, der Werteverlust und die Abfolge von unweigerlich zu Ende gehenden Welten - kurz, dieses ganze geradezu kartografisch angelegte Archiv mikropolitischer Bereiche - früher oder später resemantisiert, mit einer neuen symbolischen Kraft versehen und neu verortet, in vielen Inhalten und bestimmenden Elementen seines umfassenden Werks wieder auftaucht, eines Werks, das der Künstler in den achtziger Jahren zu entwickeln begann, in dem Moment, als Spanien von der langen Franco-Diktatur befreit war, gegen die der repräsentativste Sektor der konzeptuellen Kunst zahlreiche Aktionen im In- und Ausland gerichtet hatte. Abads künstlerische Anfänge finden sich gegen 1965 in den allerspekulativsten Bereichen der Malerei. Er benutzt minimalisierende und reduktionistische Verfahren in der Nachfolge Barnett Newmans, die sich durch Strenge und geometrische Nüchternheit auszeichnen, völlig auf äußere oder kontextuelle Referenzen verzichten und stark formalistisch geprägt sind. Die daraus folgende Vereinfachung der Mittel, der unübersehbar sprachliche Charakter der Komponenten, die stärkere Gewichtung des konzeptuellen Anteils an seiner Arbeit und der Vorrang der Gedanken vor der Herstellung von Gegenständen führen 1971 zur Aufgabe der Malerei. Abad nimmt an einem Wettbewerb junger Künstler in Granollers teil, dem Ort, wo die katalanische Konzeptkunst geboren wurde (35 Jahre später wird er dort sein Projekt block W. B. verwirklichen). |
1971 |
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II 1972 - 1980Für eine Reihe von Künstlern war ein bestimmter Zeitpunkt oder ein bedeutendes Ereignis der entscheidende Auslöser einer radikalen Wende in ihrer Laufbahn, möglicherweise gar Konversion: etwa der längere Aufenthalt in einem Bergsanatorium, der Abschuss eines Flugzeugs durch feindliche Streitkräfte, die Entdeckung einer großen Bibliothek im elterlichen Haus, das Überleben eines dramatisch erlebten Kriegs oder der erzwungene Neuanfang nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Francesc Abads Schlüsseldatum ist das Jahr 1972 und der magische, die Veränderungen bewirkende Vorfall (die persönliche Version eines rite of passage?) der Entschluss, zu einem mehrmonatigen Aufenthalt nach New York aufzubrechen. 1972 unternimmt er die Reise nach Nordamerika, nachdem er gerade die Malerei aufgegeben hat, und kündigt nach seiner Rückkehr die Arbeit in der Textilindustrie, wo er elf Jahre lang beschäftigt war. Im selben Jahr nimmt er mit drei weiteren katalanischen Künstlern an der Documenta in Kassel teil und es konstituiert sich das Künstlerkollektiv “Grup de Treball”, das für die neue Kunst in Katalonien (und auch ganz Spanien) maßgeblich war. Die Erfahrung der zum Reduktionismus hintendierenden formalen und prozessualen Strenge der früheren Malweise in Verbindung mit den jüngsten in New York gesammelten, einer Offenbarung gleichkommenden, Eindrücken führt zur Entwicklung neuer künstlerischer Richtlinien, die der Ende der sechziger Jahre aufgekommen Entmaterialisierungstendenz nahe stehen. Ihre Vertreter verurteilten die kommerziellen Interessen, die Strukturen und Kreisläufe der Spekulation, die Herstellung von konsumfähigen Kunstobjekten und die merkantile Auffassung der künstlerischen Tätigkeit (als commodity). Mit seinen zunehmend essenzialistischen Strategien, die noch ihre Herkunft vom Minimalismus und der konzeptuellen Kunst ahnen lassen, den Blick abstrahierend auf das System der Gegenstände, die Ordnung der Dinge und die Sprache gerichtet, entwickelt sich Abad in eine Richtung, die starke Parallelen zu den minimalistischen nordamerikanischen Künstlern aufweist, die einzig der Idee und der Aktion Bedeutung für die künstlerische Arbeit beimaßen und sich von der Herstellung von Kunstobjekten oder von Konzepten wie dauerhafte Zeugenschaft, Autorenschaft und sogar von den Ausstellungen selber lossagten. In den siebziger Jahren gehen die technische Strenge und der formale Reduktionismus seines früheren Werks allmählich in entmaterialisierende, kritisch reflektierende Aktionskunst über, die, wenig selbstbezogen, oft in Naturräumen stattfindet (so als stelle Abad erneut das Ende bestimmter Welten fest) und das Schema früherer Momente seines Schaffens transplantiert. Aus diesem kreativen Neubeginn in einem vom Franquismus geprägten soziopolitischen Umfeld sind besonders die Aktionsserie zu den vier Elementen der Natur, die Teilnahme an der Documenta V und die ersten kollektiven Ausstellungen hervorzuheben, zum Teil mit denjenigen Künstlern, die 1972 die „Grup de Treball“ bildeten, der Abad als Gründer und aktiver Repräsentant angehörte. Die harten politischen Bedingungen jener Zeit bestimmen die ästhetischen Register der Interventionen, Ansätze und Veröffentlichungen der „Grup de Treball“, eines Künstlerkollektivs, das in den kurzen vier Jahren seiner Existenz unter anderem mit verschiedenen Medien und Techniken der Politkunst (Dokumente und Publikationen, Videosysteme und Tagespresse, Samisdats und klandestine Versammlungen) gegen das Franco-Regime protestiert hat, und das sowohl in Spanien als auch auf den bekanntesten internationalen Ausstellungen, wie 1975 auf der Biennale von Paris und 1976, dem Jahr der Auflösung der Gruppe, auf der Biennale von Venedig. |
1972 Veranstaltungen mit der „Grup de Treball“: |
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III 1981 - 1987Das Ende der „Grup de Treball” als eines homogenen Kollektivs, dessen Zerfall unter anderem mit Fragen der Autorenschaft, der Anonymität, der Gewichtung des Persönlichen oder der unter dem Gruppennamen verdeckten Identifikation des individuellen Beitrags zusammenhing, löst in Abad eine erste Phase von Zweifeln und Konfusion aus; denn er ist sich der radikalen Veränderung bewusst, die ihn sowohl künstlerisch wie persönlich betrifft: Es ist der Schritt vom Gruppennamen als Marke zum signierten Werk des einzelnen Künstlers. Zu diesem Zeitpunkt hinterfragt er gründlich den Sinn der künstlerischen Arbeit, die Rolle des Künstlers und seine gesellschaftliche Aufgabe und findet allmählich Zuflucht in der Herausbildung eines vielseitigen, weder monolithischen, noch linearen, noch unidirektionalen Diskurses, der ihm die kritischen Elemente und Reflexionen für ein Gewebe (Gewebe/Text) von Bezügen aus kulturellen, sozialen und politischen Bereichen liefert. Paradoxerweise fallen der letzte Konflikt der „Grup de Treball“ und die nachfolgenden Zweifel und Neuansätze zu Beginn der achtziger Jahre mit der allseits bekannten massiven Rückkehr zur Malerei und dem schrankenlosen Protagonismus und Starkult der Künstler in den Medien zusammen, einem Vorgang, der sich leicht als reaktionäre Rückkehr zum vermarktbaren Objekt und zur postromantischen individuellen Autorenschaft entziffern lässt. Für Abad ist es eine Zeit, in der er sich intensiv, fast monothematisch, der Mail Art widmet, zugleich aber immer mehr auch das Künstlerbuch für sich entdeckt. Material humà [Menschenmaterial],1981, ist sein erstes nach der „Grup de Treball“ entstandenes Stück, das den Weg bahnt für weitere Multimedia-Installationen, die sich zunehmend um Themen wie die Beziehungen zwischen Kultur und Zivilisation, Fortschritt und Katastrophe, den Sozialstaat und die Phasen des Kapitalismus oder den Menschen in der Gesellschaft drehen. In dieser Zeit beginnt er auch mit der Lektüre kritischer Kulturtheorie und europäischer Denker des 20. Jahrhunderts, zunächst im Umkreis von Ernst Bloch und der Frankfurter Schule, wobei dann später vor allem dem Werk Walter Benjamins große Bedeutung zukommen wird, dessen Figur zum ersten Mal in Parany [Falle] (1986) auftaucht - einem philosophisch-poetischen Versuch über das Reisen, das Wissen und die Gefahren, die sich darin verbergen. In den nächsten zehn Jahren wird Benjamin in Abads Werk eine zentrale Stellung einnehmen. Wenn Abad sich dessen damals auch noch nicht bewusst war, so setzt die Mitte der achtziger Jahre begonnene Serie Kultur Zivilisation (1983) bereits mit verblüffender Übereinstimmung Benjamins Gedanken um, dass die Vergangenheit nur aus der Gegenwart heraus zu verstehen ist, nämlich dann, wenn sie sich durch das Einwirken der Aktualität in ein Kraftfeld verwandelt. Von da an bilden Vergangenheit und Erinnerung die Hauptachsen der Arbeit: Sie erlauben die Herstellung von Parallelen zwischen Lebenswelten und künstlerischem Diskurs und ermöglichen eine neue aktualisierende Lesart persönlicher Erfahrungen und erlebter Erinnerungen aus der Perspektive der Jetztzeit (der Gegenwart). Die Vergangenheit als nur aus der Gegenwart entzifferbares Bild resemantisiert die persönliche Erfahrung und transformiert sie in kollektive Allegorien, wobei die Erinnerung in die Gegenwart hineinwirkt: industrielle Hinterlassenschaften, die Anfänge der Immigration, aussterbende Welten, das vielen Menschen gemeinsame familiäre Umfeld, und auch die Tragödie der Zeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg, der Schmerz der Besiegten, Schrecken und Elend des Exils, die Vernichtungslager, die Krise der Menschheit, Fluchtversuche und der Tod Walter Benjamins.
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1980 - 1983 |
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IV 1988 - 2003Wie schon seit Mitte der achtziger Jahre konfigurieren sich auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts Abads Werke weiterhin um die Achse von Erfahrungen und Erkenntnissen. Sie sind nun definitiv so angelegt, dass sie beständig neue Erzähltexte hervorbringen und daher aus einer nicht traditionellen und nicht nur einzigen Sichtweise heraus gelesen und immer wieder überdacht sein wollen. Es handelt sich um elaborierte dreidimensionale Konstruktionen, ihrer Form nach Multimedia-Installationen, hybrid in ihrer Sprache, mit allem durchsetzt, für alles offen, ohne je ganz fertig zu sein, unterbrochen. Eine weitere (mögliche) Assoziation mit Benjamin erlauben auch die bruchstückhafte Syntax und die wiederholte Verwendung von Zitaten, deren vielfältige Herkunft das breite Interessenspektrum des Künstlers offenbart. Im Verlauf dieser Jahre intensiviert Francesc Abad seine Arbeit in dieser Richtung und schafft einige seiner relevantesten, reifsten und endgültigsten Stücke, bei denen es wie immer auf die Aktualisierung der Vergangenheit ankommt, die aber zugleich die Grundlagen der allernächsten Zukunft konstruieren oder, besser gesagt, ausgraben. Er stellt unzweifelhaft klar, dass die Instanzen der individuellen Erfahrung kollektive Bezugspunkte sind, wenn es sich um Lebenswelten handelt, die der Künstler, der Mensch, nun mit der letzten erkennbaren Energie versieht, der transformierenden Illumination (gleich dem Erwachen zu Beginn von Prousts Roman), in Übereinstimmung mit dem Medium. Vermutlich ist es das, was uns immer wieder zurückblicken lässt, nicht nur um - eine epische Geste wiederholend - die Vergangenheit zu suchen, sondern um die Züge jenes Bildes zu erkennen, in dem Vergangenheit und Gegenwart zu einer Konstellation zusammentreten, wie Walter Benjamin es formuliert hat. Abads entschiedenes Interesse für das Werk und die Person des deutschen Philosophen, schlägt sich in dieser Zeit in zahlreichen Werken von größter Reichweite nieder. Der Künstler intensiviert und erweitert seine Lektüre kulturkritischer Theorien, beschäftigt sich mit dem abendländischen Denken am Anfang der Moderne und beginnt, sich für die Entstehung und die Analyse der Epoche des Nationalsozialismus zu interessieren, dieses europäischen Dramas mit all den verheerenden Verzweigungen des Terrors, die sich von Deutschland über Frankreich bis nach Katalonien erstreckten. Vielleicht sucht er nach einer weiteren (möglichen) Assoziation, mit deren Hilfe er aus seiner Perspektive die ihm näherliegenden Verbindungen zwischen Fortschritt und Katastrophe analysieren kann. Gleichzeitig werden die künstlerischen Mittel und Installationen komplexer und Abad beginnt, systematisch Arbeitshefte zu führen, oder Künstlerhefte (die an den Geist der früheren Künstlerbücher anknüpfen), in denen die Universen (Konstellationen) der Bezugspunkte und Zusammenhänge erscheinen, über die Abad nachdenkt und aus denen er seine Werke bildet. Einmal fertiggestellt, illustrieren diese Hefte hervorragend seine Methode und ihre Elemente, wirken sie doch wie eine experimentelle Projektion der im Dialog mit dem Mnemosyne - Atlas, dem Passagen-Werk, den Cantos und den Histoire(s) du cinéma aufgefassten Grammatik. Sie bestehen aus Notizen, Zitaten, eingeklebten Papieren, Bildern aus der Vergangenheit, Fotokopien, Zeitungsausschnitten, Zeichnungen, kolorierten Fotos, unterstrichenen Buchseiten, Sprachen, Familiengeschichten, handgeschriebenen Sätzen, stellen also insgesamt die private Seite des Arbeitsvorgangs dar (Denktagebuch, Bilder des Denkens) und parallel dazu die Montage, die dem Baugesetz der Werke entspricht: aufblitzende Lebenswelt. In ihrer interdisziplinären Zusammenstellung bedürfen das persönliche Tagebuch, das Skizzenheft, das storyboard, das Notizheft, das Autorennotizbuch oder Moleskine - die eine fast perfekte Korrespondenz von Mikro- und Makrokosmos repräsentieren - wohl kaum einer Erklärung. Möglicherweise war es die Intuition der Schatten und Sehnsüchte eines ungewissen Zeitgeistes, die diese Denktagebücher seit 2001 auf eine neue Ebene, hin zu interaktiven, digitalen, komplexer konstruierten filmischen Formaten geführt hat, die den gegenständlichen Träger, das Papier, und die handwerklichen Eingriffe, die noch auf den Autor verweisen, hinter sich, in den Schichten der Vergangenheit, lassen. Beispiele dafür sind die Stücke Wooden House, Iron Bed, Straw Hat (2001, in These IX), Wartwar (2001, in These VII) oder Beware (2003). |
1988 |
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V 2004 - 2008 Endgültig vollzieht und versteht sich Abads künstlerische Tätigkeit als kulturelle Reflexion in Form von dialektischen Bildern, in denen es um die Fragilität des Menschen, Landschaft und Wort, den Lauf der Zeit, das Gewicht der Erinnerung, industrielle Agonie und historischen Fortschritt, das Ende der aussterbenden Welten sowie Exil und Schmerz geht. Seine besondere Schreibart der Grenzbereiche räumt dem persönlichen Engagement und der Frage nach gesellschaftlichen Zusamenhängen den Vorrang vor der ästhetischen Qualität oder der Gegenständlichkeit seiner Arbeiten ein. Seine Überlegungen sind geeignet, zu einer Neubetrachtung der sozialen und politischen Ereignisse anzuregen, mit denen das 20. Jahrhundert zu Ende gegangen ist. Die in dieser Zeit entstandene Arbeit El Camp de la Bota (www.francescabad.com/campdelabota), ein historisches Forschungsprojekt zur Wiederherstellung des Gedächtnisses der vergessenen Opfer des Franquismus sowie der Restituierung ihrer individuellen und gesellschaftlichen Würde, verdient in diesem Zusammenhang besonderer Erwähnung. Zugleich fließen all die Untersuchungen und Interessen, die viele Jahre hindurch der Person und dem Werk des in Portbou gestorbenen deutschen Philosophen Walter Benjamin gegolten haben, zusammen und finden schließlich eine materielle Umsetzung im Projekt block W. B. (www.blockwb.net). Neben diesen beiden großen dreidimensionalen Installationen steht das Stück Building - Bildung, ein besonderes Projekt, das in situ für eine Beilage der Barcelonaer Tageszeitung „La Vanguardia” realisiert wurde und alle offenen Wege aufzunehmen scheint, um sie in einem gewissen, völlig unsicheren Moment zu vereinen. Es ist fragmentarisch, unstabil, aus Zitaten gebildet, unstrukturiert, geschichtet, Produkt von Ablagerungen, offen für neue Verbindungen, ungeordnet, ohne sichtbares Schicksal und, erst recht, ohne sichtbaren Zweck. Jetzt, wo die Schichten der Erinnerung noch frisch sind und der Abstand zu den verflossenen drei oder vier Jahren uns noch nicht zwingt, in die Rolle der von Benjamin geforderten Ausgräber der Geschichte zu schlüpfen, um an die Gesamtheit der Sedimentierungen heranzukomen, bemerken wir, dass die drei Werke, die Francesc Abad in diesen letzten Jahren vorgelegt hat, den wichtigsten Teil seiner Laufbahn abzuschließen scheinen, und wir erkennen, dassdiese Werke seine künstlerischen Grundsätze noch klarer als bisher verdeutlichen: zunächst das Festhalten am modus operandi, den er in den siebziger Jahren als Erbschaft der konzeptuellen Kunst übernommen hat; zweitens der wiederholte Rückgriff auf das Motiv der Passagen der individuellen Erinnerung um daraus Lebenswelten der Zukunft zu konstruieren und das kollektive Verschwinden der Erinnerung zu verhindern; und schließlich die unumstößliche Überzeugung, dass künstlerische Vorgehensweisen vor allem Prozesse sind und daher ständiger Veränderung unterliegen, was heißt, dass sie darauf hoffen, so oft wie nötig neu gelesen, überdacht und modifiziert zu werden, ohne dass dabei zwischen der Rolle des Produzenten und der des Rezipienten unterschieden würde. Deshalb sind Abads Werke keine Kunstobjekte, sondern in ständiger Umformung begriffene Gedanken. |
2004 El Camp de la Bota, These VI; Espais, Girona. Paisatges després de la batalla [Landschaften nach der Schlacht], Centre d’Art La Panera, Lleida. 2005 El arte sucede: Origen de las prácticas conceptuales en España, 1965-1980 [Die Kunst ereignet sich: die Anfänge der konzeptuellen Kunst in Spanien, 1965 - 1980], MNCARS, Madrid. 2006 block W. B.: La idea d’un pensament que crea imatges [block W. B.: Die Idee eines Denkens, das Bilder erschafft], Museu de Granollers. Literatures de l’exili [Exilliteraturen], CCCB, Barcelona; Buenos Aires; Santiago de Chile; Mexiko; Santo Domingo. 2007 Building-Bildung, „La Vanguardia, Cultura/s”, Barcelona, 3. Oktober 2007. Internet-Projekt Odysseus: Auf der Suche nach Europa, Goethe Institut, München. Sala Tres 1972-1979, en la ruta de l’art alternatiu a Catalunya [Sala Tres 1972 - 1979, auf der Route der alternativen Kunst Kataloniens], Museu d’Art de Sabadell. |
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Manel Clot |
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Aus dem Katalanischen von Claudia Kalász |
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VIº 2009 – 2011
Nachtrag von Claudia Kalász
Im Einklang mit seinem Selbstverständnis als sozial engagierter Künstler, kritisch gegenüber einem Fortschritt, der nur die Gewinner der Geschichte begünstigt, und angesichts der Verheerungen der kapitalistischen Globalisierung nimmt Francesc Abad, ausgehend von der Philosophie Ernst Blochs, die Frage nach der Möglichkeit, Utopie heute zu denken, wieder auf. Ausgehend von Blochs Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ untersucht Abad die Gültigkeit des Begriffs und die Aussichten seiner Aktualisierung. 2010 nimmt das Projekt einer Video-Installation Form an: Ernst Bloch. Raum für die Utopie. Zwischen 2010 und 2011 werden 14 Gespräche mit Denkern und Denkerinnen gefilmt, die verschiedensten Disziplinen angehören, aber dem Werk Ernst Blochs oder dem Projekt der Reformulierung des Utopiegedankens eng verbunden sind. Wie schon bei früheren Projekten setzt Francesc Abad auch diesmal wieder auf die Arbeit im Team. In einer ersten Phase werden Ausschnitte der Interviews auf der Website des Projekts präsentiert. Vorgesehen sind eine drei- sprachige Veröffentlichung der Texte als Katalog und eine Ausstellung in Form einer Video-Installation.
Von September bis Dezember 2010 werden im Goethe-Institut Barcelona anlässlich des 70. Jahrestags von Walter Benjamins Tod in Portbou Teile der Installation block W. B. ausgestellt. Gleichzeitig interpretiert eine von Claudia Kalász und Lupe García aus Fotografien von Installationen und Seiten der Denktagebücher zusammengestellte Wandcollage die Arbeit Francesc Abads und deren Korrespondenzen mit dem Denken Walter Benjamins. Es wird deutlich, dass die Nähe des Konzeptkünstlers zum Philosophen auf der besonderen Art visuellen Denkens beruht, die Walter Benjamin Denkbild genannt hat. Im Jahr 2011 wird aus der nun fotografisch montierten Wandcollage ein um Transkriptionen und Erläuterungen erweitertes interaktives Internetprojekt: Abad-Benjamin. Korrespondenzen.
Ebenfalls im Herbst 2010 erklärt Abad im Centre d’Art La Panera von Lleida seine Konzeption von Kunst als Werkstatt. Sie ist als freier Raum zur Erforschung der Arbeit des Künstlers konzipiert: „eine nicht am Gewinn orientierte Arbeit , die dazu führen soll, meine Tätigkeit zu interpretieren – eine Tätigkeit ohne Nutzen für den Konkurrenzkampf in dieser globalisierten Welt.“ Es handelt sich um eine kollektive und experimentelle Arbeit, wo der Begriff der Autorenschaft obsolet wird.
Francesc Abad nimmt an der kollektiven Ausstellung ATLAS ¿como llevar al mundo a cuestas? [ATLAS. Wie kann man die Welt auf den Schultern tragen?] im Museum Reina Sofía in Madrid teil. Mittelseines Rundgangs durch die Kunst des 20. und des gerade begonnenen 21.Jahrhunderts will die Ausstellung zeigen, wie Aby Warburgs (1866-1929) Erforschung der Bilderwelt, die im Mnemosyne-Atlas ihren Niederschlag gefunden hat, die Geschichte der neuen Kunst beeinflusst hat. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass das Projekt des Kunsthistorikers, die Welt anhand von Montagen heterogener Bilder zu interpretieren, einen wichtigen Bezugspunkt für Francesc Abads Schaffen darstellt.
Die Verbundenheit des Künstlers mit dem historischen Gedächtnis aller derjenigen, “die von der Geschichte der Sieger zermalmt wurden”, zeigt sich erneut in einer künstlerischen Installation im Rahmen der Ausstellung Símbols de Franco [Symbole Francos], die von Dezember 2010 bis Februar 2011 im Espai Memorial Democràtic in Barcelona gezeigt wird und anschließend als Wanderausstellung in verschiedene katalanische Ortschaften geht. Die zusammengestellten Fotos und Objekte dokumentieren, mit welchen Symbolen und medialen Strategien das Franco-Regime seine Ideologie verbreitet, um alle Bereiche des Alltags zu durchdringen. Darüber hinaus wird ein Register der immer noch an öffentlichen Orten aufzufindenden Wandbilder, Schilder und Denkmäler des Franquismus vorgestellt, der Cens de Simbologia Franquista de Catalunya.
Für die Ende 2010 von der Institució de les Lletres Catalanes und dem Centre d’Arts Santa Mònica, Barcelona gemeinsam realisierte Ausstellung über Leben und Werk des katalanischen Dichters Joan Salvat-Papasseit (1894-1924) –Salvat Papasseit poetavanguardistacatalà– entwirft Francesc Abad eine Installation zu einem der drei Szenarien: Del Worker’s Club a l’Ateneu [Vom Worker’s Club zum .Kulturverein]. Die Installation besteht aus dem maßstabgetreuen Modell eines Kulturvereins, das der Klärung seines Konzepts gilt: „El concepte de l’Ateneu“. Auf einer raumfüllenden Spirale stecken Begriffe, die an revolutionäres Denken anknüpfen. Im Hintergrund hört man auf Esperanto vorgetragene Gedichte. Dazu kommt die „Biblioteca Salvat-Papasseit“, ein begehbarer Raum mit einem Wandplakat, auf dem die für die libertäre Bildung des Dichters maßgeblichen Autoren dargestellt sind. Abad belebt den libertären und revolutionären Geist des von Rodtschenko 1925 entworfenen Worker’s Club und der zeitlich vorausgehenden, vom anarchistischen Bildungsprogramm geprägten katalanischen Kulturvereine, in denen Salvat-Papasseit sich autodidaktisch fortbildete. Die Hommage an den Dichter und seine Fähigkeit „Arbeitswelt und Kultur miteinander zu verbinden“ – ein Aspekt, mit dem Francesc Abad sich identifiziert – legt in der Vergangenheit ein unabgegoltenes Zukunftspotenzial frei. In diesem Sinn erweist der Künstler sich erneut als aufmerksamer Leser von Ernst Bloch und Walter Benjamin.
In die gleiche Richtung weist die kollektive Ausstellung Exercicis de Memòria [Gedächtnisübungen] im Centre d´ Art la Panera von Lleida (Januar –April 2011). Eine der leitenden Fragen der Ausstellung lautet: „Auf welche Weise kann die künstlerische Praxis ein Prozess der Erinnerung sein?“ Zweifellos ist dies eine der zentralen Fragen im Werk von Francesc Abad, sowohl in biografischer wie in historischer Hinsicht. Es lässt keinen Zweifel daran, dass Erinnerung nicht bloß ein archivierendes Verfahren sein darf, sondern dass sie sich mit Zukunftssinn füllen muss.
Das Interesse am Benjaminschen Begriff des Denkbilds besteht weiterhin. Abad beginnt, über einige graphische Elemente im Werk Benjamins zu arbeiten: Correspondències Benjamín Abad. Das Jahr 2011 endet mit der Ausstellung einiger Stücke von Francesc Abad im Rahmen der Präsentation des dritten Teils der neuen Sammlung des Centro de Arte Reina Sofía in Madrid: De la revuelta a la posmodernidad 1962-1982. |
Seit 2009 Ernst Bloch. Raum für die Utopie
September – Dezember 2010 Stücke der Installation block W. B. und eine Wandcollage zu den Korrespondenzen von Abad und Benjamin im Goethe-Institut Barcelona.
November 2010 Werkstatt, im Centre d´ Art la Panera, Lleida
2010-11 ATLAS ¿como llevar al mundo a cuestas? [ATLAS. Wie kann man die Welt auf den Schultern tragen?] Centro de Arte Reina Sofía Madrid, Kommissar George Didi- Huberman.
Sìmbols de Franco, Espai Memorial Democràtic Barcelona Installation in der Abteilung „Archiv“
Salvat Papasseit poetavanguardistacatalà Institució de les Lletres Catalanes /Centre d’Arts Santa Mònica, Barcelona Installation Del Worker’s Club a l’Ateneu [Vom Worker’s Club zum Kulturverein].
2011 Exercicis de Memòria [Gedächtnisübungen] Centre d´Art la Panera . Lleida, 26. Januar bis 24. April 2011
Abad-Benjamin. Correspondències Die Wandcollage des Goethe-Instituts wird ein interaktives Internetprojekt.
Abad beginnt, über graphische Elemente im Werk Benjamins zu arbeiten: Correspondències Benjamin Abad.
De la revuelta a la posmodernidad 1962-1982. Centro de Arte Reina Sofía, Madrid Einige Stücke von Abad werden in der Präsentation der neuen Sammlung des Museums gezeigt.
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Autobiografisches Porträt (2010) Videomontage von Francesc Abad, realisiert mit Adolf Alcañiz. Text: Francesc Abad liest Fragmente aus seinen Denktagebüchern. (Deutsche Untertitel: Franziska Börner). |
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webs: |
francescabad.com |